Weltschönste Wiederverwertung
Es klingelt an der Tür: ein oder mehrere Säcke werden abgestellt, Kartons gestapelt oder Tüten wechseln den Besitzer. Yvonnes Netzwerk von Müllsammlern funktioniert prima und liefert ihr das Material, das sie für Ihre Workshops braucht. Jedes einzelne Stück wird von Ihr gereinigt, die Etiketten entfernt und sortiert. Alles landet zunächst entweder in einem der zahlreichen Lager oder auf dem Materialtisch, der sich über die 10 Meter Fensterfront in Ihrem Kreativatelier erstreckt. Und was gestern noch dreckiger Abfall war, liegt nun einladend aufgereiht in Körben und Kästen und wartet darauf, von groß und klein verbastelt zu werden.
Dem Ergebnis sieht man allerdings die schnöde Herkunft nicht mehr an: da glitzern wunderschöne Meerjungfrauen mit feurigen Drachen um die Wette und werden dabei von riesigen Robotern bewacht. Bleibt die Farbgebung eher monochrom, werden elegante Kunstwerke daraus, die wie teure Designerstücke die Wand verzieren oder Blumen halten. Mit dem, was man sich landläufig unter DiY oder Basteln vorstellt, hat das wenig zu tun: hier erkennt man die Designerin mit Blick fürs Detail. Das Schöne ist: Jeder kann es nachmachen und es kostet eigentlich kein Geld.
Das war nämlich damals, als sie sich selbstständig machte, einer der entscheidenden Faktoren. Nach 26 Jahren in der Mode, in der sie die Accessoire-Linien namhafter Labels wie Hugo Boss verantwortet hatte, stellte sich mit der Geburt der Kinder die Frage nach einer neuen beruflichen Ausrichtung. Yvonne wollte nach wie vor kreativ sein, aber keine Unsummen in Material investieren. Auf der Creative-World-Messe hat sie sich umgeschaut und überlegt, was alles angeboten wird und was Sie sich vorstellen kann. Schließlich hat sie das Upcycling entdeckt, weil es zum einen dem Nachhaltigkeits-Trend und ihrem, durch die Kinder gewachsenen, Umweltbewusstsein entsprach und weil zum anderen das Material weitgehend kostenfrei ist. Für jedes Stück Abfall hat sie ein Konzept erarbeitet, was daraus von Kindern oder Erwachsenen gebastelt werden kann. Freundinnen waren die ersten Tester, bevor Sie sich mit dem Frickelclub vor vier Jahren selbstständig machte. Dass der seine Heimat in Offenbach fand, ist einem Zufall geschuldet:
Als sie und ihr Mann auf der Suche nach einer alten Fabrik waren, die sich als Loft eignet, haben sie sich in die Ruine in der Rödernstraße verliebt. Die Stadt Offenbach empfindet Yvonne als wahren Glücksfall, erinnert es sie doch an Berlin Wedding, wo sie während des Mode-Studiums lebte. Sie schätzt die fast dörflichen Strukturen, die bunte und lebendige Nachbarschaft, die sie gleich nett aufgenommen hat und die Nähe zu Frankfurt.
Der große Wohnraum im Erdgeschoss ist gleichzeitig die Kreativstation mit viel Platz. Hier finden Kindergeburtstage, Workshops, aber auch kreative Junggesellinnen-Abschiede oder After-Work-Events statt. Im Sommer lädt die Holzterrasse mit 14 Meter hohem Bambus zum Entspannen ein. Für Veranstaltungen packt Sie auch ihre Materialien ein und fährt auf Feste oder zu Firmen. Gleich zu Beginn Ihrer Selbstständigkeit wurde sie von Mars Inc. eingeladen, eine Upcycling-Challenge für die Mitarbeiter des Petcare-Teams zu organisieren. Aus den hauseigenen Umverpackungen wurden Tierskulpturen und Accessoires für Tierhalter gemacht. Dieser überaus erfolgreiche Workshop hat ihr noch mal bewiesen, dass „ich das kann“. Inzwischen arbeitet Sie für die verschiedensten Agenturen und Firmen, das Bankhaus Metzler war genauso begeistert von ihrem Sternenzauber-Kurs wie die Kinder in der Erasmus-Schule, wo sie seit Beginn eine AG anbietet.
Das Yvonne Schneider inzwischen eine der Upcycling-Spezialistinnen ist, merkt man z.B. daran, dass sie auf der Tendence-Messe Vorführungen hält, in der Hessenschau über sie berichtet wird oder Menschen aus ganz Deutschland ihr ihren besonderen Müll schicken möchten.
Doch das Schönste ist das direkte Feedback ihrer Kunden. Sei es die Familien, die seit Jahren alle Kindergeburtstage im Frickelclub feiern, die begeisterten Workshop-Teilnehmer oder das besondere Glitzern in den Augen der Kinder, die am Ende fragen: „Darf ich das wirklich mit nach Hausen nehmen?“