Im Hinterhof der Weinstube: Kreativhochburg in der Taunusstraße
Unabhängigkeit. Wohnzimmer. Arbeitszimmer. Hinterhofgarten. Terrasse. Das alles teilen sich neun Frauen und zwei Männer aus dem kreativen Bereich, die in der Taunusstraße die Herausforderung angenommen haben, aus einem stinknormalen Wohnraum einen Ort zum Arbeiten, Rumtüfteln, Experimentieren und Kreativsein zu machen. Herausgekommen ist eine wunderbar entspannte Netzwerk- und Potential-Hochburg.
Im Herzen des Nordends, im Hinterhof der Weinstube, in der es neben köstlichen Weinen oft auch leckeres neapolitanisches Essen gibt, liegt diese besondere Atelier- und Bürogemeinschaft. Die Weinstube allein wäre schon Grund genug, in das Haus samt Hof und Anbauten zu ziehen. Doch die elf oben drüber treibt anderes um. Als die Wohnung 2011 frei wurde, bekam man vom Wirt der Weinstube dem Tipp, doch mal den Vermieter nach der Möglichkeit einer Ateliergemeinschaft zu fragen. Der war offen für die Idee und gab den Wohnraum frei für das gemeinsame Projekt. Anfangs waren es drei, dann gesellten sich die anderen acht dazu. Allesamt kommen sie von der HfG oder studieren dort noch.
Betritt man die Räume zum ersten mal, überfällt einen ein Crossover-Gefühl
Das Ganze präsentiert sich als ein Mix aus Wohnzimmer und Werkstatt, Büro, Atelier und Galerie, mit WG-Feeling und Kindergartenambiente. Fotos, gemalte Bilder, Farbtuben, Nähmaschinen, Büroarbeitsplätze, Skizzen, Bücher, Fotos und Plakate – sie füllen kunterbunt das inspirierende Interieur. Eine aus dem Team, Katja, hat in einem Raum ihr »Kinderatelier« untergebracht, in dem sie Kunstkurse für Kids zwischen 4 und 12 anbietet. An den Wänden hängen die schief-süßen Selbstporträts der aktuellen Gruppe. Heike ist Produktgestalterin und macht gerade Projektmanagement für Kunstprojekte. Ina, Lehrerin, korrigiert hier ihre Klausuren und kümmert sich aufgrund eines »grünen Daumens« auch um den Hinterhofgarten und die kleine Terrasse. May macht Modedesign, hat ihre Diplom-Kollektion hier im Büro entworfen und überlegt grade, wie es weitergehen soll. Claudia ist Grafikerin und nebenberuflich auch »Ateliermutter«, weil sie von Anfang an dabei war und fast immer da ist.
Einige arbeiten täglich hier und nutzen die Räume wie ein Büro – wollten aber nicht in eine der klassischen 9-to-5-Bürogemeinschaften mit homogenem Mobiliar für alle einsteigen. »Arbeiten ist ein Stück Leben und Herzblut, wir machen das hier gerne und entwickeln uns gemeinsam ein Stück. Ideen, Impulse gehen von hier aus, begleiten den Arbeitsalltag«, beschreibt Christa, die seit zehn Jahren als selbstständige Texterin und Konzeptschreiberin arbeitet, die anregende Atmosphäre hier. Von Christa werden übrigens auch seit Jahren die berühmt-berüchtigten Wollkür-Monsterchen im Rhein-Main-Gebiet ausgesetzt, »kleine, bunte, gehäkelte Dinger, die triste Orte bevölkern und die Leute beim Entdecken amüsieren sollen«, wie sie diese nette Nebentätigkeit beschreibt. Andere arbeiten nur abends an ihren Film- oder Fotoprojekten. Verbunden sind alle elf – diese bunte Mischung an Leuten aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die ausreichend wären für ein Fußballteam – durch ihre Gemeinschaft, durch das gute und konstruktive Miteinander, in dem sie die Räume teilen. »Wir unterstützen uns gegenseitig mit Aufträgen und Jobs, beraten uns, tauschen uns über unsere Arbeit und unsere Projekte aus. Es gibt bei uns auch nicht so ’ne direkte Trennung zwischen Arbeit und Privatleben«, beschreibt es Samira, Illustratorin und Grafikerin.
Im Offenbacher Nordend finden die elf neben leckerem Essen im Untergeschoss des Hauses auch jede Menge Impulse und Netzwerkhaltestellen, neue oder schon lange gewachsene Stadtteil-Glücksmomente. Von Heynefabrik, Hafen 2 und kleinen Atelierläden in Hinterhöfen über Capitol, familiären Bäcker-, Bio- oder Metzgerladen bis zum Kino im Ledermuseum oder der Ebbelwoikneipe samt Biergarten liegt alles zu Füßen & in Gehweite bereit.