Der will doch nur spielen...
Kinderfuhrpark, Kreativ-Leitzentrale und orientalisch inspirierte Kunst. In einer ehemaligen Leder- und Pelzfabrik im Nordend hat Maziar Rastegar mit seiner Frau und der kleinen Tochter einen riesigen Freiraum ergattert, in dem Kunst gemacht, digital gestalterisch gearbeitet, gekocht, gelebt und gespielt wird. Ohne Möchtegernallüren.
Im Hinterhof mit Großparkplatz liegen Gewerberäume und Hallen, in denen vor zirka 40 Jahren noch gearbeitet und industriell gefertigt wurde. Die langgezogenen, 1-3-stöckigen Bauriegel werden heute von Familien und Selbstständigen bewohnt. Als Maziar vor zwei Jahren mit seiner Familie hierher zog, war erst mal Reduktion angesagt. Denn der Vormieter hatte alles in dunklem Holz eingerichtet. Maziar und seine Frau rissen dunkle Böden, Junggesellenbar und Wände raus und ließen es wieder Licht werden. Damit war der Grundstein für das Kleinspielfeld zum kreativen und handwerklichen Ausstoben gelegt.
Mit Charme und einer ganz eigenen Ästhetik
In der Mitte des rechteckigen Raums steht Maziars Arbeitsraum – ein weißer Kubus aus MDF-Platten, der wie ein Raumschiff dort gelandet zu sein scheint. Im Eingangsbereich eine offene Küche mit Kochzeile als Raumteiler und ein Riesentisch, an dem eine Fußballmannschaft Platz findet. Erdacht, entworfen und größtenteils zusammengebaut wurde in den vier Wänden alles selbst. Zunächst erst mal in 3D. »Ich bin hochgradig digital, ob beim Arbeiten an unserer Wohnung oder im Job«, erklärt Maziar schmunzelnd. Was nicht selbst gebaut ist, wurde zusammengesucht, gekauft oder auf dem Sperrmüll gefunden. Nichts wirkt seriell oder zu gewollt, nichts erinnert an Ikea oder Kontrast-Rundumeinkäufe. Die Querbeetzusammenstellung hat Charme und eine ganz eigene Ästhetik und ist dabei auch noch total gemütlich. Ein langes, schmales Fenster im weißen Kubus, der Kreativleitzentrale, eröffnet den Blick in den Wohnraum und nach draußen auf Hinterhof und Parkplatz. So kann Maziar beim Arbeiten schauen, was die kleine Tochter alles so treibt. Durch die Wohnung düsen gehört allemal dazu, wenn man ihren Fuhrpark in einer der Raumecken betrachtet: Dreirad, Bobbycar, Pferdchen und Holzwagen. Öfter am Tag parkt sie mit einem der Vehikel vor der Leitzentrale, um die Klassikerfrage vieler Kinder zu stellen: »Papa, was machst du grade?«, erzählt mir Maziar.
Arbeiten & leben bilden in der alten Druckerei eine Einheit
Familie, Freunde und ein Zuhause bedeuten Maziar sehr viel, erfahre ich im Gespräch. Vielleicht, weil er mit seinen Eltern das Zuhause verloren hatte. Sein Vater musste als politisch Verfolgter aus dem Iran fliehen, erst über Umwege fand die Familie in der Türkei wieder zusammen. Die Flucht führte nach Deutschland, über diverse Asylbewerberheime landete die Familie schließlich in OF und fing da bei nullkommanull an. »Dass wir hier überhaupt auf die Beine gekommen sind, haben wir Exil-Iranern und deutschen Freuden zu verdanken. Wir hatten ja alles verloren«, erzählt Maziar, der seiner Tochter das weitergibt, was er bis heute an seiner Familie schätzt: Zusammenhalt und Füreinander-da-Sein. »Ich wusste von klein auf, dass ich niemals tief fallen kann, weil meine Eltern da sind und weil sie total super sind.« Da passt es gut, dass die gesamte Familie quasi um die Ecke wohnt, ein, zwei Hausnummern weiter. »Das ist unser Viertel. Meine Ecke. Ich find´s großartig, hier zu leben.«
Digitale & analoge Welten
Maziar hat an der HfG studiert und arbeitet heute als freischaffender Grafiker und Künstler. Er besetzt beruflich »keine Nischen oder Kernarbeitsschwerpunkte«, sondern arbeitet am liebsten querbeet. Er ist für jedes Auftragssujet offen, nur nicht für Serielles, für Warteschleifen und Wiederholungen. »Ich mag Design und Gestalten total gerne, ob das die Wohnung ist oder ein Kundenauftrag. Ich hab einfach Spaß am Rumspinnen, Experimentieren, Herumprobieren«, erklärt er, und wir kommen auf seine Kunst zu sprechen, die hier an Wänden hängt oder in Ecken steht. Seine Arbeiten sind orientalisch inspiriert. Moderne Mosaike, geflochtene Bilder, allesamt von Hand gefertigt, mal in zwei, mal in drei Schichten. Wie Teppiche, Korbstuhlmuster oder orientalische Mosaikfriese. Durch die unterschiedlichen Schichten entstehen Farb–Form-Spiele, die oft erst beim zweiten Blick ihre versteckten Bilder(ge)schichten offenbaren. »Zunächst konzipiere ich die Bilder am Computer, dasselbe Bild in mehreren Variationen. Und dann wird analog gearbeitet! Mit Messer und Skalpell werden die einzelnen Rauten ausgeschnitten und auf Trägermaterien gebracht«, erklärt er.
Er überträgt seine Kunst sozusagen aus der digitalen in die analoge Welt. Wie auch seine Wohnungsgestaltung. Womit wir am Schluss wieder mitten im Leben, in der Realität gelandet wären – und in der wirkt Maziar beim Wohnen, Arbeiten & Erzählen echt glücklich und zufrieden in Offenbach