LONDON IST NICHT OFFENBACH
Sieben Minuten dauert es mit der S-Bahn von der einen Innenstadt in die andere. Sieben Minuten vom Offenbacher Westen nach Frankfurt – diese Zahl war wichtig für Anja und Ralf Huesmann, als die beiden 2011 nach einer Wohnung gesucht haben. „Wir dachten: Wenn wir schon in Offenbach wohnen, wie kommen wir dann schnell nach Frankfurt?“ Ralf Huesmann macht eine Pause, schiebt die Pointe, die viel über das Ankommen in Offenbach erzählt, so lange hinaus, bis man fragen muss: Und, macht ihr das oft, nach Frankfurt fahren? „Nö“, sagt Huesmann, „alle zwei Jahre mal fahren wir zum Shoppen.“
Die Huesmanns würde jeder in einer Altbauwohnung in Frankfurt vermuten:
Der Vater arbeitet bei der Deutschen Börse, die Mutter in einer Apotheke, zwei der drei Kinder gehen auf eine trilinguale Schule. Nach dem schönen Klischee im Frankfurter Nordend hatte die Familie eigentlich auch gesucht, als sie 2010 nach ein paar Jahren in London wieder zurück nach Deutschland kam. Die Wohnungspreise, die ein paar Kilometer östlich von Frankfurt so unverschämt viel günstiger sind, haben sie dann aber doch in die Offenbacher Innenstadt ans Kaiserlei gelockt. „Trotz Fluglärm und hoher Arbeitslosigkeit“, sagt Anja Huesmann, und hat damit eigentlich alle Offenbach-Klischees aufgezählt. Mindestens einem der Huesmanns ist dieser Horizont aber sowieso zu eng. „Ich wäre lieber in England geblieben“, meint Nils, zehn Jahre alt und das älteste Kind der Familie. Ihm fehlen die Parks, und für die Wochenendausflüge wünscht er sich noch einen Ort mehr als den Hafen 2, den die Eltern für seine schroffe Schönheit so mögen. Aber Nils hat sich eingelebt in diesem Offenbach mit seiner durchmischten Bevölkerung. Einer seiner besten Freunde ist der Sohn einer Polin und eines Türken. Dass dessen Familie Migrationshintergrund hat, ist aber auch schon das Einzige, was sie von den Huesmanns unterscheidet. „Gleiche Bildungsschicht“, sagt Ralf Huesmann, die Mutter sei Lehrerin, der Vater Ingenieur. Die Menschen in Offenbach überspringen wie selbstverständlich kulturelle Grenzen.
Was aber bleibt, wie überall, sind die sozialen. Das ist auch an der Privatschule zu spüren, die Nils und seine zwei Jahre jüngere Schwester Liv besuchen. Berührungsängste mit öffentlichen Schulen haben die Eltern aber nicht. Sie erzählen, dass Nils seine Englischkenntnisse nicht verlieren sollte und deshalb auf die trilinguale Schule kam. Und auch Liv wurde dort eingeschult, erzählt sie doch stolz davon, in London geboren worden zu sein. Für Helen, mit fünf Jahren die jüngste Tochter der Familie, ist die Sprache nicht so wichtig. Für sie könnten sich die Eltern auch eine öffentliche Schule in der Nachbarschaft vorstellen.